Artikel aus dem Kreis-Anzeiger vom 02.09.2025
Schon als Kind bekam der Lißberger Michael Kraft seinen ersten Schäferhund. Heute hilft er anderen Menschen, mit ihren Hunden klarzukommen. Ob Welpe vom Züchter oder traumatisierter Tierschutzhund: In seinem Training stehen Beziehung, Vertrauen und konsequente, gewaltfreie Erziehung im Mittelpunkt. Im Interview gibt Michael Kraft Einblicke in seine Methoden und erklärt, warum Geduld, Konsequenz und Beobachtung der Schlüssel zu einer erfolgreichen Mensch-Hund-Beziehung sind.
Michael Kraft aus Lißberg hat Hunde schon sein ganzes Leben lang an seiner Seite. Bereits als Kind begann seine Faszination mit dem ersten eigenen Schäferhundwelpen, der den Grundstein für seine enge Beziehung zu Hunden legte. Aus anfänglichen Erfahrungen mit seinem eigenen Hund entwickelte sich über die Jahre eine Leidenschaft fürs Hundetraining: zunächst im kleinen Kreis, dann immer größer. Heute leitet er Trainingsstunden und eine ungezwungene Trainingsgruppe, in der Hundebesitzer Unterstützung und Hilfe bei Herausforderungen mit ihren Vierbeinern finden. Im Gespräch erzählt Michael Kraft, wie aus privatem Interesse eine professionelle Hundetrainer-Tätigkeit wurde und warum Hunde für ihn einfach zum Leben dazugehören.

Hundetrainer Michael Kraft mit dem vier Monate alten kleinen Münsterländer Welpen Floki. »Hunde brauchen klare Regeln, wie im Rudel. Solche Strukturen geben Sicherheit und sichern das Überleben«, sagt er im Interview. © Naomi Madlene Ott
Herr Kraft, haben Sie sich das alles selbst beigebracht?
Um Hundetraining professionell anzubieten, ist eine staatliche Prüfung in Theorie und Praxis Pflicht. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Umgang mit Hund und Halter. Vieles habe ich mir selbst erarbeitet. Hundeerziehung lebt von Beobachtung, Zuhören und Geduld. Zur Praxis gehört aber ebenso fundiertes theoretisches Wissen, besonders über Lerntheorie. Dazu zählen klassische- und operante Konditionierung. Letztere bedeutet: Der Hund lernt durch die Konsequenzen seines Verhaltens, vor allem durch positive Verstärkung. Erfolg und Irrtum sind zentrale Elemente moderner Hundeerziehung.
Bei Hunden aus dem Tierschutz fällt auf, dass sie im Umgang mit Artgenossen oft erstaunlich entspannt sind. Sie sind es gewohnt, regelmäßig mit anderen Hunden in Kontakt zu kommen, natürlich gibt es auch Ausnahmen. Die Rasse oder die Mischung und Herkunft spielen dabei eine Rolle. Bei Rassehunden kommt es wesentlich auf den Züchter an. Macht ein Züchter mit den Welpen schlechte Arbeit, isoliert er sie, setzt sie keinen Reizen aus, können diese Probleme ein ganzes Hundeleben lang Bestandteil des gemeinsamen Zusammenlebens von Hund und Halter bleiben. Die Gehirnentwicklung eines Welpen ist nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen mit der fünften Woche bereits abgeschlossen. Diese Zeit, ab der fünften Woche, ist die unbedarfteste Zeit des Hundes. Alles, was er jetzt gezeigt bekommt und erfährt, nimmt er sehr entspannt auf und wird ihm bei richtiger Unterstützung, ein ganzes Leben erhalten bleiben.
Gibt es Dinge, auf die man achten sollte?
Die Tierschutzhundeverordnung regelt genau, was ein Züchter mit Hündin und Welpen gesetzlich tun muss. Da Rassehunde oft teuer sind, sollte man immer zu einem seriösen, verbandlich organisierten Züchter gehen, vor allem, um die Mutterhündin zu sehen. Sie prägt den Charakter der Welpen. Studien zeigen: Hunde, die erst nach der 14. Woche Menschen kennenlernen, lassen sich nur schwer sozialisieren. Auch die Herkunft spielt eine Rolle: Hunde aus Südeuropa sind oft entspannter, während viele aus Osteuropa schlechte oder gewalttätige Erfahrungen gemacht haben. Dort leben Hunde meist draußen als Wachhunde, häufig mit Schutzhund-, Herdenschutzhund- oder Kampfhund-Anteilen in der DNA.
Was halten Sie von der »Adopt, don’t shop«-Bewegung?
Viele Tierheimhunde haben mehrere Stationen hinter sich, was herausfordernd sein kann. Dafür sind sie meist gesundheitlich durchgecheckt, und das Team informiert umfassend über Besonderheiten. So weiß man in der Regel genau, welchen Hund man bekommt, auch bei Pflegestellen. Bei Auslandshunden empfehle ich zusätzlich einen DNA-Test, um die genetische Zusammensetzung zu kennen und das Training gezielt anzupassen. Problematisch ist oft die mangelnde Aufklärung: Viele lassen sich von Videos täuschen, ohne zu wissen, ob der Hund krank ist oder sozialverträglich. Besonders kritisch sind unseriöse Organisationen: Hunde werden wie Ware transportiert, übereinandergestapelt und traumatisiert – oft mit starkem Misstrauen. Das hat nichts mit Tierschutz zu tun. Zum Glück gibt es auch seriöse Stellen wie Smeura in Rumänien. Doch in vielen Ländern droht nicht vermittelten Hunden die Einschläferung.
Ist ein geretteter Hund automatisch ein glücklicher Hund?
Viele Menschen denken: Wenn ich einem Hund aus dem Ausland ein Zuhause gebe, tue ich etwas Gutes und er wird mir ewig dankbar sein. So funktioniert es jedoch nicht. Hunde handeln opportunistisch – sie tun, was ihnen selbst den größten Vorteil verschafft. Das ist keine Undankbarkeit, sondern ihre Natur. Deshalb ist es entscheidend, von Anfang an klare Regeln zu setzen, konsequent zu arbeiten und Geduld zu haben.
Wie viel von den Problemen, die Hunde mitbringen, sind hausgemacht?
Sobald wir Menschen Hunde erziehen, wird es oft emotional. Hunde sind zwar emotionale Wesen, ticken aber anders. Sie brauchen klare Regeln, wie im Rudel. Solche Strukturen geben Sicherheit und sichern das Überleben. Fehlen klare Grenzen, entsteht Stress und dauerhafter Stress kann krank machen. Konsequenz ist entscheidend für die Lebensqualität eines Hundes. Konsequenz hat aber nichts mit Strafe zu tun, sondern ist ein zentraler Bestandteil der Erziehung. Nicht vier Stunden Training an einem Tag und dann tagelang nichts, sondern kurze, intensive Einheiten. Viele Menschen wollen einen Hund, investieren aber kaum Zeit. Durchschnittlich wird zwei Stunden Gassi gegangen, davon oft über eine Stunde am Handy oder im Gespräch, der Hund bleibt unbeobachtet. Nur durch genaues Beobachten lernt man ihn wirklich kennen.
Warum funktioniert die Kommunikation mit Hunden oft nicht?
Am Anfang gilt: Schwarz oder Weiß. Grautöne kommen erst, wenn die Grundlagen sitzen. Gewalt oder Härte haben keinen Platz. Ich arbeite fast nur mit positiver Verstärkung: Richtiges Verhalten wird belohnt, falsches ignoriert: Erfolg und Irrtum. Von der Erziehung einer Hündin gegenüber ihren Welpen können wir Menschen viel lernen. Vertrauen, Kommunikation und Blickkontakt sind entscheidend. Ein Grundsatz: Was man beim Hund bewusst oder unbewusst verstärkt, bekommt man zurück. Viele Halter kommunizieren jedoch falsch. Beispiel »Sitz«: Nur das Wort zu sagen reicht oft nicht, viele Hunde verstehen es nicht. Hunde kommunizieren über Körpersprache, schon ein kurzes Nachvornebeugen bringt den Hund oft zum Sitzen.
Wie schwer ist es, Verhaltensweisen herauszutrainieren?
Hundehalter kommen oft mit erwachsenen Hunden, bei denen sie Verhalten ändern möchten, das nennt man trainieren. Dabei gilt wieder die Lerntheorie. Häufig handelt es sich um vom Hund selbst erlernte Verhaltensweisen, wie etwa Jagdverhalten. Jeder Hund hat diesen Instinkt mehr oder weniger stark. Die Verhaltenskette beginnt mit Suchen, Schnüffeln und der Umgebungserkundung. Sobald der Hund etwas entdeckt, löst der Jagdinstinkt aus. Rennt er einem Hasen hinterher, ist das für ihn ein Erfolg, der im Gehirn als positiv abgespeichert wird.
Dieses Verhalten zu verändern, braucht viel Erfahrung, Geduld und Zeit. Deshalb ist konsequentes Training so wichtig. Nur durch viele Wiederholungen, oft 800 bis 1 400, lernt der Hund neues Verhalten wirklich zu verstehen. Richtiges Lob zur richtigen Zeit ist dabei entscheidend.
Wie lobt man richtig?
Dabei spielt das Timing eine große Rolle. Hunde verknüpfen innerhalb von einer halben bis einer Sekunde. Versuchen Sie mal, ihm in dieser Zeit ein Leckerli ins Maul zu geben. Da kommt jetzt das Brückensignal ins Spiel: Es verbindet Verhalten unmittelbar mit der zu erwarteten primären Belohnung. Das kann ein Wort wie »Super«, ein Klicker oder eine Pfeife sein. Der Hund erkennt sofort: Okay, das war richtig, jetzt gibt es gleich Futter. Ohne diese zeitnahe Rückmeldung verliert er die Verbindung zum Verhalten und das Signal geht ins Leere. Um gewünschtes Verhalten aufzubauen, arbeitet man mit kleinen Schritten. Wichtig ist, dass der Hund schnell erfolgreich ist. Bei großen Schritten verlieren Hunde oft die Motivation, weil sie zu oft Misserfolge hatten.
Was verstehen Sie unter einer gelungenen Mensch-Hund-Beziehung?
Hunde brauchen Freiraum und die Möglichkeit, eigenständig zu handeln. Beziehung entsteht durch gemeinsames Erleben. Isolation ist mit das Schlimmste für einen Hund. Mein eigener Hund war immer an meiner Seite – eine ausgebildete Jagdhündin für Nachsuchen. Ohne ihre eigenen Entscheidungen wären wir oft nicht ans Ziel gekommen. Diese gemeinsamen Erfahrungen haben unsere Bindung geprägt. Deshalb mein Appell: Erleben Sie etwas Positives mit Ihrem Hund und bauen Sie darauf auf.
Was würden Sie Hundehaltern oder solchen, die es werden wollen, als Ratschlag mit auf den Weg geben?
Ein Hund lebt im Schnitt zwölf bis 14 Jahre, das bedeutet langfristige Verantwortung. Man sollte sich vorher klar machen, was alles dazugehört, und welchen Hund man zu sich holt. Niemals nur nach dem Aussehen entscheiden, denn das kann schlimme Folgen haben. Im Kern geht es immer um Beziehung. Wenn etwas nicht funktioniert, lieber früh Hilfe holen. Oft sind es nur kleine Veränderungen, die viel bewirken. Viele Probleme entstehen durch fehlende Verständigung: Hunde wie Hunde behandeln, sonst gibt es Konflikte.
